Grießsuppe, die Zweite
Hab ich eigentlich schon erwähnt,
dass mein Papa vor seinem Medizinstudium noch einen anderen Beruf erlernt hat?
Mein Opa hatte es sich in den
Kopf gesetzt, dass Papa vor seinem Studium noch etwas „Gscheites“ lernen sollte
und da mein Opa, mein Uropa und fast sämtliche Geschwister meines Opas
(übrigens 12!!! an der Zahl) Lehrer waren, war das dann auch das Lehramt.
Ich hab keine Ahnung, was Lehrer
während ihrer Ausbildung lernen (ich will das eigentlich auch gar nicht so
genau wissen), aber ich glaube, ich stehe mit meiner Meinung nicht ganz alleine
da, wenn ich behaupte, dass Lehrer schon ein wenig „eigen“ sind. Von ihren
Erziehungsmethoden ganz zu schweigen.
Papa hat durch seine Ausbildung
anscheinend auch etwas von diesem „Lehrer-Gen“ mitbekommen.
Noch dazu war er ja ein
„verkappter“ Lehrer – und was macht ein Lehrer, der seinen Job nicht ausübt?
Genau, er muss seine „erzieherischen Fähigkeiten“ an seinen Kindern austoben.
Das ist jetzt natürlich alles nicht
so gemeint – mein Papa war nämlich der beste Papa, den ich mir vorstellen konnte.
Es dient nur ein bisschen zur Verdeutlichung meiner folgenden Geschichte:
Als ich eines Tages am Nachmittag
vom Kindergarten nach Hause kam, saß mein Papa zeitunglesend im Wohnzimmer.
„Das gibt’s ja nicht. Guck mal,
was hier steht! Das musst du dir anschauen!“
Haha, echt lustig. Hallloooo! Ich
war drei!!! In dem Alter konnte vermutlich noch nicht einmal Einstein lesen
(bzw. der wahrscheinlich schon gar nicht).
Da ich aber nun einmal erst drei Jahre
alt war und kleine Mädchen in diesem Alter ihrem Papa natürlich alles glauben,
war ich ganz Ohr, kuschelte mich zu ihm und ließ mir von ihm vorlesen: „Im
Kindergarten Josefinum kam es heute zu einem Zwischenfall. Ein dreijähriges
Mädchen verschmähte ihre Grießsuppe (übrigens nicht zum ersten Mal) und schob
diese zwecks baldiger Vertilgung ihrer Freundin unter. Anschließend wollte sie
sich, als ob nichts geschehen wäre, ihre Nachspeise holen…Und Töchterlein? Hast
du dazu etwas zu sagen?“
„Ähm, naja, Papa, weißt eh, Papier ist
geduldig.“
Nein, das hab ich natürlich nicht
gesagt, hätte ich aber vielleicht sollen…
Stattdessen war ich echt baff –
mir hatte es die Sprache verschlagen (und das hieß bei meiner Pappulatur damals schon was…).
In meinem Hirn machte es RATTER,
RATTER…
Konnte es wirklich sein, dass DAS
in der Zeitung stand. Andererseits wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass
mein überallesgeliebter Papa mich anschwindeln könnte: frühkindliche Naivität
sozusagen…
Ihr seht schon, das Lehrer-Gen
hatte wieder einmal zugeschlagen. Im Nachhinein gesehen, also jetzt, da ich
selber Mama bin, muss ich aber zugeben, dass der Schmäh gar nicht einmal so
schlecht war.
Ich war auch tatsächlich ziemlich
eingeschüchtert (das war ja wohl der Zweck der Sache…) und dachte mir, dass das
„Nichtgrießsuppenessen“ etwas sehr Schlimmes sein musste, wenn darüber sogar in
der Zeitung berichtet wurde.
Ich schaute Papa mit meinen
riesengroßen blauen Kulleraugen an und versprach ihm, in Zukunft brav meine
Suppe zu essen.
Und?...hab ich mein Wort gehalten
und in Zukunft brav meine Suppe gegessen?
Natürlich…
…NICHT!!!
Ja, im Schwindeln war ich gut.
Ganz der Papa eben!